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Südfriedhof – Leipziger Lieblingsorte

Mein Lieblingsort in Leipzig?, da musste ich erst einmal überlegen, denn die Frage, finde ich, kann man als Leipziger gar nicht so einfach beantworten.

Als schon-immer-hier-Wohnender habe ich schon viele Stadtteile mein zu Hause nennen können. Als Heranwachsender, als Azubi, als Student, als Weltreisendzurückkehrender und letztendlich als Arbeitender überall hat es mich schon hinverschlagen. Manchmal freiwillig, manchmal getrieben von den Preisen, dann auf der Suche nach dem idealem Wohnort aber nie stino-standard – das ist klar.

Überall ist es irgendwie schön und man findet sein Lieblingskleinod, die Zeit vergeht schöne Orte verschwinden oder werden überrannt. Viele schöne Orte sind nicht mehr da, neue kommen vielleicht dazu es hängt aber immer irgendwie, zumindest ist es mein Eindruck, mit der jeweiligen Lebenssituation zusammen. Was nützt es mir ein Lieblingsort zu haben, den ich nur einmal im Jahr besuche und ihn dann nich mehr kenne da er sich vielleicht so rasant verändert?

Lieblingsort Leipzig

Mein Lieblingsort

Einen habe ich erst sehr spät gefunden, den Südfriedhof, ich wusste schon immer dass es ihn gibt, aber erst als ich in seiner Nähe wohne ist es mir so bewusst geworden was für ein sehr schöner Ort das ist. Das verwunderliche daran ist, dass eigentlich jeder den Südfriedhof kennt aber ihn nicht als einen besuchenswerten Ort wahrnimmt. Klar, wer geht schon gern auf einen Friedhof, aber wenn es einer der schönsten Parkfriedhofanlagen Deutschlands ist? sollte man doch mal vorbeischauen und wenn er schon mal in der eigenen Stadt liegt sowieso.

SüdfriedhofRote LippenGrab auf dem SüdfriedhofAnkerplatz

Immer schön

Zu fast jeder Jahreszeit und sogar Lebenssituation kann man ihm etwas abgewinnen. Als ich nach St.Ötteritz zog hatte ich gerade meine Diplomarbeit beendet, die Zeit war frustrierend was soll man werden und machen, nichts passt auf einen usw. das große Schwarze Loch…. ihr kennt das ja.
Der Südfriedhof hat mich jetzt nicht daraus geholt, hielt aber immer etwas Ruhe und Abgeschiedenheit für mich bereit, raus aus der Bude durch den Park gehen, sich wunderbare Skulturen, Denkmäler, Grabanlagen anschauen, ein Platz finden zum Verweilen in der Sonne seinen Gedanken nachhängen und fast keiner der einen stört. Im Frühling die großen blühenden Büsche, große Wiesen mit Frühblühern, überall Vögel. Im Sommer sattes Grün, die Ruhe vor der Stadt. Mit der Freundin durch die Gänge streifen vor großen skurrilen Gräbern staunen und  sich fragen welche Geschichten dahinter stehen.
Hier liegen ja die große Söhne der Stadt und noch viele mehr, man möchte eigentlich alles wissen und mehr erfahren.

Löwe auf dem Südfriedhof

Später als sich der Nachwuchs ankündigte, auch dann wandelten wir durch die Allee und Wege, ließen uns von den vielfältigen Name inspirieren und genossen die Ruhe. Diese Ruhe ließ sich auch dann gut verwenden als man mit den Kinderwagen die Stunden zum schlafen durch die Gegend Rollen mussten, der Kiez war zu laut auf dem Friedhof war es schön leise und man müsste nicht immer die selben Wege gehen.

Jetzt ist der Nachwuchs schon größer und wenn wir mal spazieren gehen, kommt uns auch der Friedhof mal in die Quere. Im Herbst als die großen Laubhaufen aufgeschüttet sind, ist’s natürlich besonders toll, reinschießen Laub um sich werfen und die ganzen Sachen, dazu die bunten Bäume überall – wunderschön. Selbst im Winter, Stille, zugeschneit, wenige Fußstapfen, Gräber die anders aussehen, Skulpturen mit besonderem etwas – Fotomotive.

Ja, der Südfriedhof ist einer der Lieblingsplätze für mich in Leipzig.

Erst letztens habe ich an einer Führung teilgenommen, große Leipziger Geschichte wird einem da vermittelt, genügend berühmte Persönlichkeiten liegen hier – auch die Originale. Es wird wahrscheinlich nicht die letzte Führung gewesen sein, unterhaltsam und skurril war es allemal.
Ich kann nur jedem empfehlen sich diesen wunderbaren Ort selbst anzuschauen. Wo kann man denn in Leipzig Pyramiden, Obeliske, riesige Skulpturen, verdichtet leipziger Geschichte, allerlei Engel, den Querschnitt durch die architektonischen Epochen, die verschiedenen künstlerische Geschmäcker, des letzten Jahrunderts auf so kleine Raum bewundern? Genau dort! Das schöne es ist fast keiner da, der Krach machen kann 🙂

…und wußtet Ihr dass es auf den Südfriedhof, unterirdische Grabanlagen gibt die so groß wie Einfamilienhäuser sind?

noch etwas mehr…

Über den Südfriedhof habe ich schon ein paar Beiträge geschrieben, wem mehr danach ist liest hier:

 

Vielen Dank Adelina fürs anstoßen!

Empfehlung für’s WOE – Führung auf dem Südfriedhof – skurril und unterhaltend

Heute möchte ich euch unbedingt eine Führung vorstellen der ich unlängst beiwohnte, eine absolute Empfehlung für alle die die sich für die leipziger Geschichte interessieren. Bei einer solchen Führung auf dem Südfriedhof beim Völkerschlachtdenkmal erfährt man viel zur damaligen Zeit anhand von Grabmahlen, deren Besitzer und Bildhauern.

Die Führung hält ein gewisser Alfred E. Otto Paul seines Zeichens Sepulkralforscher, ehemaliger technischer Leiter des Südfriedhofs und Begründer sowie Vorsitzender der Paul-Benndorf-Gesellschaft zu Leipzig, der sich für die Erhaltung und Restaurierung der Kunstwerke auf dem Südfriedhof einsetzt. – Eine Type, sag ich euch! – Jedenfalls kann man die Führung jeden Sonntag beiwohnen, 14:00 Uhr gehts los, angemeldet wird nicht, wer da ist bezahlt 7€ und darf teilnehmen. So wie ich das mitbekommen habe, gibt es immer mal ein geändertes Programm, wenn man das als solches nennen kann.

Die Führung

Als wir uns informierten hieß es, es werden 20 Skulpturen abgelaufen und erklärt, das könnte so etwa zwei Stunden dauern je nachdem wie viele Fragen kommen – es wurden drei Stunden und 15 min! Fragen wurden jetzt nicht so viele gestellt, aber Alfred Paul hatte einen guten Lauf.

Zum Start wurden wir begrüßt mit den Worten „Ich muss mich ja nicht vorstellen….“ und ab ging die Post. Es ist phantastisch wie viel der Mann um die Geschichten der einzelnen Grabstätten weiß. Die einzelnen Geschichten recherchiert er intensiv, setzt sich mit Hinterbliebenen in Verbindung, fandet nach Familienangehörigen, bittet um Restauration und legt selbst Hand an. So entstehen Erzählungen um die Historischen Zeugnisse die mit geschichtlichen Hintergründen gewürzt werden was es absolut spannend macht zuzuhören.

kurzweilige, teilweise skurrile Geschichten, interessante Fakten

Dem beizuwohnen ist absolut kurzweilig, so dass über drei Stunden Führung zu jedem Zeitpunkt Spaß machten. Es wirkt keineswegs trocken, wenn Paul in seiner teilweise selbstverliebten Art über die Werke, die Künstler, die Familien, seine eigene Arbeit, sein eigener Anteil und sein Kampf für den Erhalt der Geschichte des Friedhofs spricht. Er ist dabei  frei und ohne Konzept, spricht immer mit etwas Witz (oder Irrwitz?) und wirkt so gar nicht proffessoral, bleibt so ganz bei seinen Zuhörern. Man nimmt es ihm deswegen nicht krumm, wenn er oftmals sich selbst auf die Schulter klopft und freut sich dann mit ihm und auf die nächste Geschichte die um der nächsten Ecke lauert. Wußtet Ihr, dass es auf dem Friedhof Gruften gibt die teilweise 150m² groß sind und Dimensionen von einem Einfamilienhaus haben?

Zum Abschluß sollte man unbedingt nach der Glocke auf der Wiese fragen, denn daran schließt sich eine Geschichte an bei der er sich selbst übertrifft und in persönlichen Erinnerungen schwelgt, die damit enden, dass er zusammen mit dem amerikanischen Konsul die Glocken des Krematorium erstmalig zum läuten bringt. Großartigst!

Schauen und Hinhören

Ich habe ein paar Eindrücke mitgebracht die Geschmack auf die Führung geben soll, also mal reinhören und geniesen. Es sind ein paar Mitschnitte die nicht immer von Super Qualität sind aber man soll ja Lust bekommen hin zu gehen.

A.Paul erklärt das Grabmahl des Kaufmanns Max Bürklin gestaltet von Friedrich Kühn.

„….Alle Bildhauer sind Spitzmäuse …. auch die aus Leipzig….“

A.Paul am Grabmal des Brauerreibesitzers Bauer gestaltet vom Leipziger Bildhauer Arthur Trebst.

„… hier stimmt einiges nicht… wenn ich solche Dinge untersuche… “


Am Grabmal des Baumeisters Heinrich Bruno Oehlschlegels, Baumeister der Paul Gerhard Kirche in Connewitz bei deren Bau er selbst starb.

 

An der Grabstätte des Adolf Lehnert

„… da veräppeln die den alten blinden Lehnert, weil keiner sich traut zu sagen, dass die Statue von Bismark aus dem Johannapark eingeschmolzen wurde, bis ein Breifträger…“

Am Grabmal des galizischen Großgrundbesitzers Wilhelm Adam Schmidt

„… dann stirbt ihr Sohn, auch Mitte fünfzig, d.h. die männliche Genetik ist irgendwie … äh … irgendwie … Sch***e … und wird begraben neben den zwei hundertjährigen und die Frau, die Frau wird über 100 … die Linie der Frau – die werden alle 100 – da grüßt die  Genetik… “

Am Jugenstilgrabmahl der Quecks.

  


Das Finale am Am Grab der Leipziger Arztdynastiefamile Schwabe.